Ein junger Mönch namens Sona war vor seinem Klosterleben ein talentierter Lautenspieler gewesen.
Auch während seiner Zeit im Kloster fand er ab und zu Zeit, auf seinem Instrument zu spielen. Sona war bekannt für seine Hingabe und seinen Eifer, sowohl beim Spielen als auch bei der Meditation. Trotz seiner Bemühungen fand er jedoch keine innere Ruhe oder Erleuchtung. Er übte sich in strenger Askese, meditierte stundenlang in starrer Haltung und folgte den monastischen Regeln mit extremer Strenge. Doch statt zur Erleuchtung führte dieser Weg Sona zu Frustration und Erschöpfung.
Eines Tages, als sein Meister durch das umliegende Klostergebirge schlenderte, sah er Sona, der allein und entmutigt am Wegesrand saß. Seine Füße waren von den langen Geh-Meditationsstunden wund, und seine Augen zeugten von Schlaflosigkeit. Der Meister setzte sich neben ihn und fragte sanft: „Sona, du warst einst ein Meister der Laute. Sag mir, was geschieht, wenn die Saiten deines Instruments zu straff gespannt sind?“
Sona antwortete müde: „Wenn sie zu straff gespannt sind, Meister, sind sie brüchig und können leicht reißen.“
„Und was geschieht, wenn sie zu locker sind?“, fuhr der Meister fort.
„Dann kann das Instrument keinen klaren Ton erzeugen, und die Musik verliert ihre Süße.“
Der Meister nickte bedächtig. „So ist es auch mit dem Weg zur Erleuchtung. Wenn ein Mensch zu hart zu sich selbst ist, zu straff in seinen Praktiken, riskiert er, seinen Geist zu überlasten und zu erschöpfen. Doch wenn er zu nachlässig ist, verliert seine Praxis an Tiefe, und seine Meditation trägt keine Früchte.“
Der Meister legte seine Hand auf Sonas Schulter und blickte ihm tief in die Augen. „Der Mittelweg, Sona, ist wie das perfekte Stimmen einer Laute. Nicht zu straff, nicht zu locker, sodass jede Saite in perfekter Harmonie mitschwingen kann, um wunderschöne Musik zu erzeugen. So muss auch dein spiritueller Weg sein. Finde das Gleichgewicht in deiner Praxis, und du wirst sehen, wie deine Müdigkeit weicht und dein Geist Klarheit erlangt.“
Ermutigt durch die Worte des Meisters und die Erkenntnis, dass er seinen eigenen, ausgewogenen Weg finden müsse, nahm Sona sich vor, seine Praxis anzupassen. Er erkannte, dass weder übermäßige Strenge noch Laxheit den Weg zur Erleuchtung ebneten, sondern eine harmonische Balance, die Raum für Wachstum und Selbstfürsorge lässt.
Mit der Zeit fand Sona seinen Mittelweg. Seine Meditationsstunden wurden kürzer, aber tiefer und erfüllender. Er erlaubte sich Ruhe, wenn sein Körper oder sein Geist danach verlangten, und fand so zu einer nachhaltigen Praxis, die ihm echte Freude und tiefe Einsichten brachte. Sona lernte, dass wie bei der Musik auch auf dem spirituellen Pfad die Harmonie der Schlüssel ist, und dass jeder Mensch seine eigene Melodie in der Symphonie des Lebens finden muss.
Diese Geschichte vermittelt die Bedeutung von Ausgewogenheit und Achtsamkeit im Leben und kann als wertvolle Lehre für alle dienen, die nach innerem Frieden und Erleuchtung streben und auch dazu neigen, dieses Streben zu vernachlässigen.
Comments